I. Gründung der Kolonie
Hochvetrauend auf die Privilegien S. Kaiserlichen Maj. Alexander des I. von Rußland, verließen die deutschen Auswanderer ihr Vaterland für immer und wanderten mit Allem das sie hatten hierher, in dem Bewußtsein, sich und ihre Nachkommen für immer glücklich zu sehen. Die Ansiedler der Kolonie Rohrbach kamen unter der Gerichtsbarkeit S. Durchlaucht des Gouverneurs Herzog von Rischileu im Herbst 1809 mit 26 Familien und im Jahre 1810 mit 69 Familien, väterlich begünstigt, hier auf der unbewohnten Grasteppe an, wo sie ihr Bestehen als Kolonisten erhalten, und zu welcher Zeit auch zugleich zur Niederlassung, Begründung der Kolonie und zur Aufführung der Häuser geschritten worden ist.
II. Angabe der Oertlichkeit
Die Kolonie ist auf der östlich niedrigen Anhöhe beinahe auf ebener Steppe an dem Thale Zerigul angelegt, und ist von dem Steppenflusse Teligul 20 W. südwestlich, dem Tschischekle 15 W. nördlich und von dem Bug-Flusse 40 W. östlicher Richtung hingegründet. Die Entfernung von der Gubernialstadt Cherson zählt ungefähr 130 und die der Kreisstadt Odessa 100 W. Nach der Gebietssitzung der Kolonie Landau zählt 20 W. Gegenüber dem Hauptorte, aus der südwestlichen Anhöhe des Thales, liegt das vor 10 Jahren mit schönen Häußern erbaute Halb- oder Bergdorf, von welchem aus, die ganze alte Kolonie übersehen werden kann, und jetzt 36 Häuser zählt. Hinter dem Dorfe entlang, oberhalb den Dreschplätzen, liegen die Weingärten, die mit steinernen Mauern eingeführt sind. Das Dorf selbst liegt in der Richtung von Nord gegen Süd und hat in der Mitte, wie das Thal selbst eine Abweichung aus der Linie nach südwest, d. h. eine kurze Biegung. Das ohne Flußbett genannte Thal Zerigul nimmt seinen Anfang 2 W. oberhalb der Kolonie, auf der Grenze der 6 W. von hier liegenden Kolonie Worms und mündet 25 W. von hier bei Ribowa in den Leman, es führt reiche Sandsteinbrüche mit sich und ist reichlich mit Wasser versehen. Die wasserreichen gegrabenen Brunnen gewähren mitunter sehr gutes Trinkwasser. Trotz den vielen trockenen Jahren ist die Gemeinde doch von eigentlichem Wassermangel verschont geblieben.
Bepflanzt mit schönen Gemüsegärten, Obstbäumen als: Aepfel, Birnen, Zwetschchen, Pflaumen, Kirschen, Aprikosen, zählt es mit seinen schönen Pappeln, Aspen, Weiden und Akazien 4-5000 Bäume und gewährt dem Liebhaber, von der Höhe hinabsehend, einen überraschenden Anblick. Die in dem Thal angehäufte Dammerde verspricht dem fleißigen Pflanzer immer feine reichliche Gartengewächse. Weniger erfreulich aber ist der oberhalb dem Thale entlang verschüttete Mist, der sich an manchen Stellen zu 15-18 Schuh aufgetürmet findet und nur Schlimmes verursacht.
Unsere meist ebene Steppe hat eine gute Lage, der Boden hat durchgängig aus seiner Oberfläche einen bis zwei Stiche fruchtbare Erde mit etwas Sand vermengt. Nur hin und wieder auf den südlichen Theilen, zeigen sich salpetrige Stellen, die nur bei häufigem Regen Ueppigkeit zeugen. Bei günstiger Witternng gedeiht nicht nur das Gras außerordentlich, sondern alle Saaten erreichen sehr schnell durch den feurigen Trieb eine ungewöhnliche Höhe. Da aber bekanntlich der Regen 8-10 Wochen ausbleibt, so gestaltet sich die Erde bei großer Hitze und den trockenen Winden wie Staub und Asche, in welchen Fällen der Landwirth kaum seine Saaten wieder einerntet.
Die Unterlage des Bodens besteht meist aus kalkartig, rotem Thone, der schwer zu bearbeiten ist, und die Ursache abgiebt, daß in unserer Gegend die Anlagen nicht von Dauer sind. Deswegen muß der Boden unumgänglich riolt werden. Von Waldung kann hier keine Rede sein, ebenso wenig von bedeutenden Weinanlagen. Die meisten, oder einzelne demselben bestehen kaum aus 600-1000, überhaupt aber beläuft sich die ganze Anzahl auf 34 000 Rebstöcke.
III. Ursprung der Benennung der Kolonie
Aus Vorliebe zu ihrem Dorfe, von dem sie ausgewandert sind und "Rohrbach" heißt: gaben die zwei Kolonisten Peter Schmidt und Peter Nuß, die zuerst an Ort und Stelle hier angelangt sind, der Kolonie den Namen "Rohrbach". Von dem an erhielt sie auch ihren Ursprung "Rohrbach".
IV. Ursprüngliche Niederlassung
Die Begründung der Kolonie bestand anfänglich mit noch 5 hinzugekommenen Familien aus 100 Familien, und kamen aus dem Großherzogthum Baden 33, ans dem Königreich Würtemberg 4, Preußpolen 7 und aus dem Elsaß 56 Familien, in Allem 475 Seelen, worunter 248 männliche und 227 weibliche Seelen waren, hier an. Hinzugekommen: aus Preußpolen 1813 22 Familien, aus dem Königreich Würtemberg 4, aus dem Großherzogthum Baden 1817 und 19 16 Familien und durch Uebersiedlung aus anderen Kolonien 6 Familien, in Allem 48 Familien, mit 119 männlichen und 89 weiblicheu Seelen hinzugekommen. Die Familienzahl belief sich bis zum Jahre 1838 aus 148 Familien, welche 367 männliche, 316 weibliche, in Allem 683 Seelen zählte.
Abgegangen: Im Jahre 1818 sind nach Grusien 10 Familien, 1823 nach Odessa und andere Kolonien 11 Familien, 2 Familien sind ins Ausland zurückgekehrt, 1826 nach der gewesenen Kolonie Friedrichsthal und der jetzt 13 W. von hier liegenden Kolonie Johannesthal 11 Familien, nach Bessarabien 1843 10 Familien, nach der 100 W. von hier bei Nikolajew am Ingul liegenden Kolonie Neu-Danzig 7 Familien übersiedelt worden. Ins Ausland sind zurückgekehrt 4 Familien. Im Jahre 1825 wurde der Kolonist Georg Ehlis nach Sibirien verwiesen und der Kolonist Karl Neudorf als Trunkenbold und Herumtreiber über die Grenze geschickt. Wenn diese 53 Familien mit ihren 226 Seelen, worunter 132 männliche und 94 weibliche sind, von den im Jahr 1838 bestandenen 148 Familien abgezogen werden, so ergibt es sich, daß 95 Familien, 458 Seelen, als die ersten Ansiedler betrachtet werden können.
Nimmt man nun den Bestand vom Schlusse 1847 mit 1178 Seelen, worunter 620 männliche und 558 weibliche Seelen sind, welche zusamen 217 Familien ausmachen, so ergibt sich: daß in einer Zeitperiode von 38 Jahren die Kolonie sich um 720 Seelen vermehrt hat. Unter diesen sind Krüppelhafte: eine Blinde und 3 Verstandslose Personen weiblichen Geschlechts.
Unglücksfälle. Ein Mann ist in der Lehmgrube erdrückt worden, ein Mann ist durch einen Fehlstreich todtgeschlagen, ein Mann ist durch den Fall vom Wagen durch die Pferde umgekommen. Ein Kind ist überfahren von einem Wagen und zerquetscht worden, ein 15jähriger Jüngling ist im Damm ertrunken, und ein Kind durchs Feuer umgekommen.
V. Niederlassung der Kolonisten
Die Grenzstadt Radziwilow war der Sammelplatz der meisten Ankömmlinge, wo sie sich transportweise von dem Anführer, Michael Kuhn, nach dem damals unbedeutenden Odessa leiten ließen. Dort angekommen, mußten die meisten Ansiedler Armuthshalber ihr Winterquartier in der bei Odessa liegenden Kolonie Großliebenthal bis zum nächsten Frühjahr ansschlagen, denen es freilich nicht so übelging, wie den ersten Ansiedler.
VI. Der neue Heimathsort
Unter dem Anführer, Kollegienrath von Rosenkampf, kamen die 69 Familien mit ihrem ersten Schulzen, Michael Kuhn im Frühjahr 1810 bei ihren zuerst angekommenen Ansiedlern hier an Ort und Stelle an. Da war nichts als eine gesunde Luft, von vielen Jahren her niedergeschlagenes dürres Gras und allerlei Kräuter mit Blumen und ein neuer Grasteppich zu finden, und das war jetzt der Ort ihrer Herrlichkeit, an dem nur noch 19 der ersten Ansiedler weilen.
VII. Unterstützung und hergebrachtes Vermögen
Auf Kosten der hohen Krone wurde jeder Familie ein Haus aus Steinen aufgebaut, und das nöthige an Vieh, Ackergeräthschaften, Saatfrüchte und Brodt auf Rechnnng der angeliehenen Kronsschulden laut Berechnung vom Jahre 1820 aus 93 Familien betreffende Summe 100 490 Rbl. 40 1/2 Kop. B.A., 28 711 Rbl. 54 3/7 Kop. Slb. verabfolgt.
Von der Grenze bis an den Ort und Stelle wurde den meisten Ansiedlern Nahrungsgeld aus Nichtwiedererstattung ausgezahlt. An solchen örtlichen Geldtagen galt bei den Gerichtsvorstehern Kollegienrath von Rosenkampf und dem ersten Schulzen Kuhn ein 60 Kopekenstück einen Rubel und die Kolonisten mußten froh sein, wenn sie es ohne weiteres dahin nehmen durften. Also segneten sich jene Herren und doch wurden sie immer ärmer, bis sie endlich ganz verdarben.
Die Ansiedler sind meistens als arme unbemittelte Leute aus ihrem Vaterland hieher gekommen und brachten deswegen mehr oder weniger Schulden mit, manche derselben hatten, ihre Fuhrwerker ausgenommen, nur Reisegeld bis auf die Grenze. Der Werth des Vermögens beläuft sich ungefähr anf 40-50 000 Rbl. B.A. Die Wohlhabenden wußten mit ihren Kronthaler nicht zu wirtschaften, darum wurde der größte Theil davon der sogenannten geistigen Schwindsucht aufgeopfert. Arme aber fleißige und nüchterne Leute hatten bald in jenen fruchtbaren Jahren ihr reichliches Auskommen, während die wohlhabenden Schlemmer verarmten. Spruch Sal. 10, 4. Lässige Hand macht faul, aber der Fleißigen Hand macht reich. 23, 21: Die Säufer und Schlemmer verarmen und ein Schläfer muß zerrissene Kleider tragen.
VIII. Ereignisse und Schicksale
Von einer allgemeinen Uebersiedlung, von Überschwemmungen, von epidemischen Krankheiten und verheerenden Erdbeben kann hier keine Rede sein. Außer den oft wiederkehrenden Rödeln und dergleichen Kinderkrankheiten hat die Gemeinde wenig gelitten. Desto mehr aber dürfte die Rede sein von dem schädlichen Ungeziefer, der Heuschrecken, dem kleinen grauen Maikäfer und dem Brachkäfer, die überhaupt dem Kolonisten am Weinstock, an der Blüte und an den Fruchtkörnern den meisten Schaden verursachen. Abgesehen von den vielen Fehlernten, steht doch jetzt der Wirtschaftszweig in besserem Zustande.
IX. Bessere Gestaltung
Zu den ersten 18 Jahren war bei weitem der größere Theil, eine Wirtschaft vorteilhaft zu betreiben, gar nicht gewachsen, weil sie die Vorteile nicht kannten und das bessere Wirtschaftsleben nicht am rechten Orte suchten, und weil ihnen 2) die Gottesfurcht fehlte und deswegen konnten sie auch ihre Vorteile nicht schätzen. ungehorsam gegen die Obrigkeit war bei den meisten die Folge ihres hergebrachten unchristlichen Lebens. Trotz den vielen Heimsuchungen widriger Schicksale, konnte doch dem Damme der Sittenlosigkeit keinen genügsamen Einhalt getan werden, die wenigsten nur achteten auf die züchtigende Hand Gottes zu ihrem Wohle. Wer sich in dem Taumel der Verschwendung und in der Macht berauschender Getränke auszeichnete, der durfte sicher daraus rechnen oder stolz sein, bei seinen Brüdern den Beifall zu gewinnen, die im Schatten der Branntweinlokale ihre Hände ausruhen ließen, unbekümmert für das Wohl ihrer Nachkömmlinge. Die Schulzenämter, Schullehrer und Schreiber verstanden das grobe Handwerk, die Gläser zu stülpen, ebenso gut wie ihresgleichen. Die Jugend war ebenso ausschweifend herangewachsen. Die meisten lernten kaum lesen. Das war das Letzte, für die Schule zu sorgen, so wie es jetzt das wichtigste und erste Geschäft ist. Jetzt wird bei dem jungen Geschlecht der unwiederbringliche Schaden eingesehen und erkannt.
Die Bessergesinnten sanden zur bessern Gestaltung der bürgerlichen Ordnung von ihren Schulzenämtern keine Unterstützung, und weil selbst bei denselben selten ans ein gemeinsames Zusammenwirken zu rechnen war, so war der Weg zum Bessern wie vermauert. Wer ein Amt überkam, der wurde nicht um des Amtes, sondern um des Mannes Willen gewählt, und das brachte der Gemeinde in mehrfacher Hinsicht den größten Schaden, weil sich nun der größere Theil in dieser falschen Eigennützigkeit wohlgefühlt, so wurde ihm natürlich sein Unrecht auf seinen eigenen Kopf geworfen und dem unrecht immer auf die Bahn geholfen. Dieses Mißgeschick hat sich seit mehreren Jahren etwas besser gestaltet, die Schul-Neuwahlen werden jetzt behutsamer begonnen. Die Jugend wächst nicht mehr roh unter unseren Kolonisten auf wie damals, die Schullehrer werden jetzt nicht mehr nach dem alten Schlendrian der Wohlfeile nach gemutet, sondern man sieht jetzt auf die Fähigkeiten solcher und den christlichen Charakter. - Im Jahre 1812 erhielt die Gemeine einen Prediger, den Herrn Pastor Hubner. Aber sein Wirken dauerte kaum 2 Jahre, so mußte er die obere Heimat beziehen.
Der ehemalige Kommissär Krüger, der 1820-28 die Sache dieses Gebiets mitunter zu besorgen hatte, wirkte bei denselben dahin, daß die Wirtschaften mit ihren Besitzern auf einen besseren Standpunkt gestellt worden sind. Die ungehorsamen wurden empfindlich bestraft, und seine gewisse Strenge setzte unsere Ansiedler in ein regeres Leben. Eines blieb dennoch zu wünschen übrig.
Eine neue Epoche trat mit dem Jahre 1824 ins Leben. Gott erbarmte sich in jeder Hinsicht über uns, und sandte nach seiner weisen Absicht den bisher gewesenen ernsten Prediger des Evangeliums Johannes Bonekemper hieher, der in großem Segen wirkte. Den 10. November 1847 kam er um seine Entlassung ein, hat den 6. April 1848 eine solche Allerhöchst erhalten. Lange noch wird uns sein hinterlassener Segen in Andenken sein, den er in seinem 24jährigem Wirken gestiftet hat. Zwei Jahre später, 1826, erhielt die hiesige Gemeinde den durchgreifenden Schullehrer Wilhelm Eberhard, der der Schule eine neue Wendung gab, und der 1843 sein Amt niederlegte. Ein gesegnetes Zusammen-wirken, das Rügen der Sünden, und eine angemessene Disziplin brachte bald Segen unter unserem Volke. Es traf Gottesfurcht ein unter den Leuten, unermüdlicher Fleiß und Sparsamkeit, das Mitwirken höherer Obrigkeit traf seit Jahren zusammen, so daß die meisten unserer Ansiedler ihr Glück kennen lernten. Mehrere derselben haben sich von angrenzenden Gutsbesitzern 1640 Dßj. Land zum Eigenthum angekauft. Andere dagegen haben 8-9000 Dßj. von Gutsbesitzern zu ihrer Nutznießung gemiethet.
Bergleicht man nun den frühern Zustand der Gemeinde mit dem jetzigen, wo immer 2-3 Wirthe den Pflug bespannten: so findet ein sehr großer Unterschied statt. Als ich vor 3 Jahren meinen sogenannten eisernen Pflug hierher brachte, so hieß man ihn den „Bohnensetzer“. Jetzt nun hat beinahe ein jeder Wirth einen solchen und die Wohlhabenden sogar zwei solcher vorteilhaften Pflüge. Nicht selten sieht man solche Bierspänner von einem einzigen Menschen bekleidet im Felde ohne ihn zu halten die schönsten Furchen ziehen, da an die schweren unbequemen hölzernen Pflüge 6-8 Stück Vieh mit 3 Menschen versehen sein mußten. Die kräftigern unter unsern Ansiedlern bestellen zur jährlichen Aussaat 40-60 Dßj. Trotz den vielen unabwendbaren Hindernissen: Fehlernten, Viehsterben und dergleichen gelangten doch manche junge Ansiedler zu einem bedeutenden Vermögen Die starke Vieh- und Schafzucht, vorzugsweise letztere begünstigte am meisten den Wohlstand unserer Kolonisten. Ein Beweis davon liefert das 1847-te Jahr, in welchem unsere Kolonie über 24 000 Rbl. B.A. aus der Schafzucht bezogen hat.
Gegenwärtig zählt die Kolonie 150 Häuser, ein schönes Fruchtmagazin nebst einem neuerbauten Schul- und Bethause von einem Flächeninhalt von 60 Geviertfaden. Die meisten Häuser sind neuerbaute, unter welchen sich 25-30 durch ihre einfache aber gesunde Bauart und dem deutschen Geschmack angemessene innere Ausstattung der Zimmer auszeichnen. Gegenüber dem leeren Kirchenplatze steht das vor 18 Jahr 2 Faden hohe schön erbaute Pastorat. Die innere Einrichtung mit 2 unter denselben befindlichen gewölbten Kellern, bietet für einen Prediger eine ziemlich bequeme Wohnung dar.
Unmöglich ist es, in diese kurzgefaßte geschichtliche Abfassung alle Vorgänge hier niederzulegen, vielleicht wird das wenig berichte von einer Seite her schon zu viel sein, und wer möchte nicht gerne das Bessere kommen sehend Die Schattenseite unserer Begebenheiten ist kaum berührt; darüber wollen wir uns bescheiden, und in einer unvollkommenen Welt, wie die unsere ist, dem Guten in der Hoffnung entgegensehen, daß es doch besser werden wird, und in aller Trene und allem Fleiße ausharren, bis wir endlich unsern Lauf in Gottes Namen enden werden, um als dann die Früchte unserer Arbeit einzuerndten.
Während der 38jährigen Zeitperiode, und dem verschiedenartigen Durchkreutzen der Dinge, dem allmähligen Emporkommen unserer Ansiedler, hat unsere hohe Kolonial Verwaltung durch Strenge und Milde ihren Einfluß zu Tage gelegt, und wir erkennen es als eine preiswürdige Leitung der göttlichen Barmherzigkeit, Weisheit und Liebe an, daß wir an Hochderselben, besonders aber an S. Er. Herrn Staats-Rath von Hahn eine väterlich gerechte Unterstützung haben.
An diese väterliche Fürsorge schließt sich hauptsächlich der Bater der Kolonisten Herr Geeneral der Infanterie von Inzow, der sich treulich der Kolonisten annahm.
Schullehrer: Fritschle (Verfasser)
Schulz: Schlegel
Bürgermeister: Zimbelmann, Gemar
Gemeindeschreiber: Reich
Quelle: Die Deutschen Kolonien in Cherson und Bessarabien | Berichte der Gemeindeämter über Entstehung Entwicklung der lutherischen Kolonien in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahhunderts | Stuttgart 1926
Die Reiseroute des Rohrbacher Kolonisten Sebastian Büchler aus Wilgartswiesen in der Südpfalz
• Frankfurt am Main | am 6.Juni 1809 bekommt er seinen Reisepass vom russischen Generalkonsul Simon Moritz v. Bethmann
• Erfurt | am 14 Juni angekommen
• Leipzig | am 17 Juni angekommen und über Frankfurt an der Oder, Thorn und Białystok weiter nach Russland gereist.
• Am 15 Juli in Jurburg(heute Jurbarkas in Litauen) angekommen. Weiter ging es über Vilnius, Minsk, Neshin, Priluki und Krementschug nach Jekaterinoslaw. In Jekaterinoslaw wurden Kolonisten auf die Kolonien verteilt.
Haus und Wohnen in Rohrbach
Die Großväter in den Kolonien erzählen noch, wie sie am Anfang sich ihre Erdhöhlen gegraben hatten. Eine große, viereckige, tiefe Grube wurde in die Erde gemacht, dieselbe mit Stangen, Rohr, Gras und Erde bedeckt, das Ganze inwendig mit Lehm bestrichen; darin hielt man den Ersten Winter aus. Im nächsten Jahre schlug man schon vier starke Eckpfosten in die Erde, Balken mit Sparren wurden darauf gelegt, die Balken mit dünnen Stangen und das Sparrenwerk mit Stroh und Gras und Erde bedeckt, die Zwischenräume bis an die Balken mit einem Strauchgeflecht aus gefüllt, das Ganze inwendig und auswendig mit Lehm beklebt. Das war schon wohnlicher. Und jetzt ist es noch viel wohnlicher geworden. Es überströmt den Reisenden ein eigentümliches Wohlbehagen, wenn er im Hochsommer ein Paar Weilen über die baumlose, heiße und ausgebrante Steppe in unbequemem Gefährte zurücklegt, dann gegen Abend in die freundliche Kolonie einbiegt, die sich längs der breiten Landstraße hinzieht. Die einzelnen Häuser sind schmuck von Stein ausgeführt, alle mit gleichen inneren Einrichtung. Wenn man von der Straße durch den Hof die Schwelle des Wohnhauses betritt, ist dem Eintretenden gerade gegenüber die Küche, zur Linken das Zimmer, zur Rechten Kammer. Im Zimmer wird in der Regel der Fremde beherbergt, sein größter Schmuck ist ein reinliches Bett mit hoch aufgetürmten Kissen. Die Einrichtung ist äusserst einfach und sauber; Tische und Bänke sind in der Regel von unangestrichenem Holz; in der Ecke stehen auf einem kleinen Regal ein paar Bücher, nur geistlichen Inhalts...
Aus "Immanuel! Eine Hütte Gottes bei den Menschen" von Pastor Hermann Dalton, 1868
In den protestantischen Gemeinden übten die Schulmeister zugleich das Amt des Küsters aus. Bei Abwesenheit des Pastors lasen sie aus den Predigtbüchern vor und vertraten den Pastor bei Begräbnissen und Taufen. Solange die Fürsorgekontore ihre Gehälter zahlten, unterstanden die Küsterlehrer deshalb dem Pastor des zuständigen Kirchspiels. Den Gemeinden wurde freigestellt, wieviel Gehalt sie den Schulmeistern zahlen und wieviel Lebensmittel sie ihnen liefern wollten. Die Lehrer sollten auch freie Wohnung und Heizung in den Schulhäusern erhalten. Da die Bauern oft schlechten, aber billigen den Vorzug vor guten und teuren Schulmeistern gaben, wurde die Auswahl den Gemeinden wieder entzogen und dem zuständigen Pfarrer übertragen. Noch 1830 hielt ein führender Kolonialbeamter 108 von 116 Lehrern der Ekaterinoslaver Niederlassung für gänzlich ungeeignet: Sie könnten nur mit Mühe lesen und kaum ihren Namen schreiben. Der Unterricht in der Dorfschule bereitete die Jugendlichen in erster Linie auf die Konfirmation bzw. Firmung vor. Man setzte die Kinder an die Fibel, die Bibel und das Einmaleins. Wenn die Jugendlichen die Schule verlieβen, konnten die wenigsten schreiben und rechnen. Das Schuljahr dauerte nur vom 1. Oktober bis zum 31. März, doch schickten viele Eltern ihre Kinder sehr unregelmäßig zur Schule.
Die ersten Zentralschulen waren in Halbstadt (1836) und Chortica (1841), den Zentren der beiden Mennonitenbezirke, eröffnet worden. Ihnen folgten je eine lutherische Zentralschule in Sarata (1844) ( Bessarabiendeutsche) und in Prischib (1846). Die zweiklassigen, aber vierjährigen Zentralschulen sollten Kolonisten-Kinder zu Schulmeistern und Gemeindeschreibern heranbilden und die Kenntnis der russischen Sprache verbreiten. Wie eine Konferenz von Vertretern der Schwarzmeerdeutschen im Jahre 1866 beschlossen hatte, entstanden weitere Zentralschulen in Grossliebental (1869), Neu-Freudental (1869, seit 1897 in Landau), Grunau (1873), Gnadenfeld (1873) und Neusatz (1874). Manche Gebiete scheuten die Kosten für den Unterhalt von Zentralschulen und entschieden sich für die staatlich geförderten Zemstvo-Schulen. Das Interesse der Kolonisten an der Ausbildung ihrer Kinder an staatlich anerkannten weiterführenden Schulen stieg nach der Einführung der Wehrpflicht, da Absolventen solcher Lehranstalten eine Reduktion der Wehrdienstzeit eingeräumt worden war. Die Zentralschulen wurden in den 1880er Jahren, die Kirchenschulen zu Beginn der 1890er Jahre russifiziert. Nur noch Deutsch und Religion sollten in der Muttersprache unterrichtet werden. Nach der Revolution von 1905 wurde die harte Russifizierung der deutschen Schulen gemildert.
Rohrbacher Lehrer
1890er
Jacob Billigmeier, Philipp Obenauer, Friedrich Gross, Wilhelm Refinius
1930er
Schulleiter der 7-jährigen Schule - Heinrich des Sigismund Gollauer
Lehrer - Jakob des Johann Jahraus, Otto des Adolf Nürnberg, Vera des Eduard Ochsner, Elisabetha des Friedrich Vogt, Otto des Eduard Bachmann
Schulleiter der Grundschule - Wilhelm des Georg Esser
Lehrer - Eva des Vinzenz Trost, Erna des Friedrich Trost
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